Archiv der Kategorie: HV-Basic

Katastrophenfall häusliche Hitze

Mit einem pfiffigen Aufkleber geht die Diakonie Katastrophenhilfe gegen heimische Katastrophenhitze vor: Ab 27 °C erscheint auf der sonst schwarzen Innenfläche der Text „Vorsicht HITZE – Bitte trinken“.

Noch raffinierter wäre es gewesen, den Aufkleber, der für Gemeindehäuser, Seniorentreffs und andere Behaglichkeiten gedacht ist, auch für den Kalender zu sensibilisieren – und zwischen 1. Oktober und 30. April bei Hitzealarm den Text anzuzeigen: „Heizung runterdrehen“.

Jahrestag des E-Mail-Terrors

Die E-Mail-Flut nervt uns alle seit Jahren. Ich bin deshalb schon lange dafür, dieses Kommunikationsmittel kostenpflichtig zu machen, damit es endlich wieder seinen Sinn erfüllen kann. Mindestens 10 Cent Steuer auf jeden einzelnen E-Mail-Versand; damit es ein Ende hat mit tausend cc- und bcc-Adressen, mit 20 Status-Reports im Sekundenabstand für die banalste Bestellung, mit dem ganzen dummen Rumgequatsche – und der Viagra-Spam bleibt dann auch noch auf der Strecke. Jahrestag des E-Mail-Terrors weiterlesen

Corona-Shutdown könnte mehr schaden als nutzen

Der infolge der Corona-Pandemie verordnete Hausarrest führt zu einer deutlichen Zunahme häuslicher Gewalt. Dies geht aus einer prognostischen Studie des Lehrstuhls für Nebenwirkungsforschung der Universität Bielefeld hervor. Demnach könnten die von Ländern und Ämtern in Deutschland angeordneten oder empfohlenen Veranstaltungs- und Versammlungsverbote unterm Strich mehr Schaden anrichten als verhüten. Durch die Schließung von Schulen, Universitäten und Arbeitsstätten würden Alltagsroutinen unterbrochen, was erhebliches Konfliktpotential berge, für das es an erprobten Handlungsmustern fehle. „Für unsere Simulationen haben wir uns Kranken- und Kriminalitätsdaten für Urlaube von einer Mindestdauer von drei Wochen angesehen“, so Studienleiter Professor Fred Steinhauer. Demnach sei für die Zeit des epidemiologisch induzierten Zwangsurlaubs bei gleichzeitig drastischer Beschränkung des Freizeitangebots von einer starken Zunahme von familiärer Gewalt auszugehen. Zwar lasse sich eine Zahl von Toten und Verletzten nicht seriös abschätzen. „Es besteht jedoch deutlich die Möglichkeit, dass die Vulnerabilität innerhalb der nun für z.T. sehr lange Zeit aufeinander bezogenen Kleingruppen die Verhinderung von Corona-Infektionen überkompensiert“, so Steinhauer. Zudem sei mit langfristigen Kosten und sozialen Verwerfungen etwa aufgrund von Scheidungen bzw. Partnerschaftstrennungen zu rechnen, nicht zuletzt durch die Schließung der Prostitutionsbetriebe.
Für die Nebenwirkungsforschung seien die Ergebnisse der Modellrechnungen keineswegs verwunderlich. So berge jeder nicht-lebensnotwendige Krankenhausaufenthalt das Risiko tödlicher Komplikationen, insbesondere infolge einer Sepsis. Steinhauer: „Rein unter dem Gesichtspunkt der Überlebenswahrscheinlichkeit müsste man natürlich jeden derartigen medizinischen Eingriff unterlassen. Allerdings werden tödliche Risiken auch in vielen anderen Lebenslagen in Kauf genommen, etwa beim Autofahren.“

Schottergarten wäre Beschiss

Im Mai hat die „Verpiss dich“-Pflanze Hochkonjunktur. Dann wollen tausende Eigenheimbesitzer von Wikipedia wissen, was es mit diesem gut vermarkteten Kraut auf sich hat, welches Säugetiere aller Art vertreiben soll. Dieser Stinker ist Patron einer ganzen Verpiss-dich-Bewegung, die darum wetteifert, wer den lebensfreisten Raum zwischen Hauswand und Bürgersteig oder Nachbarzaun schafft, wer die Natur am besten bezwingt. Schottergarten wäre Beschiss weiterlesen

Mein Bauch ist Staatsfeind Nummer Eins

Mit Alice Schwarzer einer Meinung – im Leben hätte ich nicht gedacht, dass mir das noch passiert. Aber nun ist es soweit – ich muss einen Urspruch der Frauenemanzipation adaptieren: „Mein Bauch gehört mir“ haben die Alices und Emmas einst gefordert, und nun ist es an der Zeit, dass wir Männer uns dem – laut wie einst die Frauen – anschließen.

Denn die Penetranz, mit der sich andere – allen voran feminine Politiker – um meinen Bauch öffentlich sorgen, nimmt bedrohliche Formen an. Viel Gezeter haben wir mit Nachsichtigkeit für sozial Zukurzgekommene und intellektuell Zukurzgeratene ertragen, – die Idee von einer Strafsteuer auf Pommes und Schokolade etwa oder die Lebensmittelampel, eine Vorstufe von Rezeptpflicht und dann Totalverbot für Leckereien.  Doch nun wird’s ernst, die behördliche Mobilmachung hat begonnen, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), „eine Internationale Organisation mit 33 Mitgliedstaaten, die sich der Demokratie und Marktwirtschaft verpflichtet fühlen“ (Wikipedia) leistet Aufbauhilfe für neue Kriegsministerien:
Dieser Debattierclub OECD, an dem Deutschland 8% hält, ist beim Kaffeekränzchen auf die Idee verfallen, meinen Bauch zu problematisieren. Vermutlich war gerade kein Krieg, kein Aids-Sterben und keine Hungersnot greifbar, und so sprachen die Ratschlagweisen: „OECD says governments must fight fat.“

Als erste Legionäre sind wie immer die Herren und Damen Journalisten zur Stelle, die dankbar nach dem Pariser Keks greifen und ihre Miesepetrigkeit über die Kundschaft ergießen. In ihren längst rauch- und bierfreien Schreibstuben mit Kaffee-Pad-Automaten hartherzig und hungerhakig geworden, zisseln sie uns einen Buchstabensalat zurecht, den sie mit nährwertfreien Toppings kredenzen: „Fettsucht grassiert in Industrieländern“, „Fettleibigkeit wird weltweit zur Volkskrankheit“ oder: „Übergewicht – OECD sieht Fett als Staatsfeind Nummer Eins“ schreiben sie auf ihre journalistischen Diättorten.

Auf sueddeutsche.de sieht das dann so aus: Mein Bauch ist Staatsfeind Nummer Eins weiterlesen

„Das Prekariat ist nur ein ästhetisches Problem“

Was die G20-Krawalle bildsymbolträchtig gezeigt haben, untermauert nun eine populistische Studie zu den „Einstellungen bei Wählern und Nichtwählern
vor der Bundestagswahl 2017“: es gibt allenfalls etwas Rauch um nichts. In einer Pressemitteilung heißt es zusammenfassend und sinngemäß: die etablierten Parteien haben nichts zu befürchten, ihr Geschäft ist nicht in Gefahr.
Mangels anderer Themen sprach der Helgoländer Vorbote trotzdem mit Fred Steinhauer-Bertelsmann, dem Leiter eines Gütersloher Debattierclubs, über deutsche Revolutionsgefahren und das Kulturgut des Kadavergehorsams.

populistische-forschungsfragen-zur-traegheit-der-deutschenHV: Herr Bertelsmann, nach Ihrer aktuellen Erforschung der Deutschen trauen die meisten Bürger eher Politikern als anderen Bürgern ihre politische Vertretung zu. Wie ist dieses gesunde Misstrauen zu bewerten?

Bertelsmann: Die meisten Menschen wünschen sich einen starken Führer. Das kann natürlich nicht ihr Nachbar sein, denn von dem wissen sie ja grob, wie er tickt. Politiker bieten sich professionell als Führer an. Aber wenn den Wählern ein guter Schauspieler oder ein Milliardär zur Auswahl steht, nehme sie auch den als Häuptling.

HV: Was kann die Demokratie gegen den populistischen Rest tun, der Berufspolitiker für unfähig, korrupt, raffgierig oder einfach unerträglich langweilig hält?

Bertelsmann: Unsere Demokratie ist da sehr robust. Wer Politikern nicht traut, wählt sie nicht – und nimmt sich damit erfreulicherweise selbst die Möglichkeit auf Mitbestimmung. [siehe Grafik]  Außerdem liebt der typische Populist seine Opferrolle, die würde er nie freiwillig aufgeben.

HV: Halten Sie es nicht für eine Gefahr, dass immer mehr Menschen den bundesweiten Volksentscheid fordern und damit das politische Fachpersonal in wichtigen Fragen entmachten wollen?

Bertelsmann: Auch hier ist unsere Demokratie sehr robust. Ganz gleich, was der ein oder andere Politiker in Wahlkampfzeiten sagt, am Ende wird er die Einführung des Volksentscheids immer ablehnen. Das hat die letzten 68 Jahre geklappt, es gibt keinen Grund anzunehmen, daran werde sich etwas ändern. Die ewige Debatte um Volksentscheide ist ein sehr effizientes Hamsterrad, in das man viele Querulanten bekommt, die sich darin dann müde laufen können, ohne dem System irgendwie zu schaden. Ich sage schon lange: nur per Volksentscheid könnte in Deutschland der Volksentscheid eingeführt werden. [klopft sich auf die Schenkel]

HV: Ihre Studie hat, wenn wir sie richtig verstanden habe, ergeben, dass unter den Ungebildeten „schon fast vier von zehn Wahlberechtigte“ Veränderungen des politischen Systems wollen. Bei den Schlauen mit Abitur sind das nur 14,2%. Braut sich da nicht was zusammen im Prekariat?

nichtwaehler-bellen-aber-beissen-nichtBertelsmann: Natürlich sind die Deppen immer ein Problem. Deshalb ist es wichtig, dass die neuen Zensurmaßnahmen sie vor allem in den sozialen Medien vom Publikum abklemmen. Aber das ist mehr ein ästhetisches Anliegen. Auch der dümmste Hund weiß, dass er besser nicht die Hand beißt, die ihn füttert. Und unsere Zahlen bestätigen das deutlich: die meisten Weltveränderer kläffen mal laut in die Gegend, sind aber sediert genug, unserem System nicht zu schaden.

HV: Trotz der zum Teil beeindruckenden Zahlen geben Sie mit Ihrer Studie also Entwarnung für das Establishment?

Bertelsmann: Man kann unsere Studie auch als Leistungsschau lesen. Der Kapitalismus funktioniert, Bertelsmann geht es gut und das mit Brot und Medien versorgte Volk macht uns keine ernsthaften Probleme.

HV: Vielen Dank für unser demagogisches Gespräch.

Angaben nach dem HV-Transpirationskodex
Abbildung eins: aus dem da von Seite fünfzehn
Abbildung zwei: aus demselben von Seite

Visitenkarte

Als das Pärchen im französischen Film mit deutschen Untertiteln zum dritten Mal in der gleichen, vermutlich selben Stellung vögelt, klappt die Besitzerin eine Sitzreihe schräg vor mir ihren Laptop zu. Im Gegensatz zu ihr war ich noch nicht fertig. Oder wartet auch sie nur auf einen mehr Entfaltungsmöglichkeiten bietenden Ortswechsel, um den Film weiter zu schauen?
Dass ich den Film bis hierher geschaut habe, hat doch sie zu verantworten! Es war nicht mein Plan, ich wollte arbeiten. Bin ich ein Kollateralschaden, wie der Passant, der unfreiwillig zum Unfall-Zeugen wird, der mit seinem Trauma aber alleingelassen wird, weil er nicht als Beteiligter gilt?
Ich erhebe mich, um Richtung ICE-Bordrestaurant zu gehen – und sage im Vorbeigehen: „Auf revoir“

(Fred Steinhauer)

Kotzen ist das Friedlichste, was wir tun können

Mit seiner Performance zum Unterschied zwischen Kritik und Schmähkritik ist Jan Böhmermann ein Meisterwerk der Satire geglückt (die Kollegen sind noch Wochen danach vor Entzücken der Welt entrückt…). Doch offenbar hat Böhmermann nicht das Format für einen Satiriker. Als er sich nun nach wochenlanger Reifezeit via ZEIT zurückgemeldet hat, gibt er – bemüht wirkend – nur den Komiker. Message nach all dem Rummel? Null! Steigerung, neuer Impuls, Persiflage des massenhaft publizierten Schwachsinns? Nichts! Keine Schmähung all der Flachpfeifen, die mit ihrer Verstand ersetzenden Piefigkeit die Abflüsse der Nachrichtenströme verstopft hatten. Stattdessen etwas – offenbar nicht gespielte – Weinerlichkeit, wie sie schon vorher in der „Causa Erdogan“ von ihm zu vernehmen war. Wie elend. Kotzen ist das Friedlichste, was wir tun können weiterlesen