Die E-Mail-Flut nervt uns alle seit Jahren. Ich bin deshalb schon lange dafür, dieses Kommunikationsmittel kostenpflichtig zu machen, damit es endlich wieder seinen Sinn erfüllen kann. Mindestens 10 Cent Steuer auf jeden einzelnen E-Mail-Versand; damit es ein Ende hat mit tausend cc- und bcc-Adressen, mit 20 Status-Reports im Sekundenabstand für die banalste Bestellung, mit dem ganzen dummen Rumgequatsche – und der Viagra-Spam bleibt dann auch noch auf der Strecke.
Natürlich ist der Ruf nach dem Staat wie hier von mir immer eine Kapitulation, ein Scheitern der Zivilgesellschaft, der Tod der Vernunft. Aber man kann sich ja den Mund fusselig reden (und die Finger wund schreiben, ob nun E-Mail-besteuert oder portobeleckt): der inflationäre Mail-Gebrauch nimmt und nimmt ja kein Ende.
Was daran nervt, sind ja vor allem zwei Dinge:
Erstens wird unverschlüsselt alles mögliche durch die Welt posaunt, auf Server der großen Tech-Giganten zur Durchleuchtung gelegt, den Nachrichtendiensten der Welt in Klarschrift serviert, was wir nun vorher gerade datenvermeidend auf den Weg gebracht haben. Wenn ich z.B. beim Öko-Büromaterial-Handel „memo“ eine Bestellung per Brief aufgebe, bekomme ich die Rechnung unverschlüsselt per E-Mail. Die kann nicht mehr in oder an den Paketen Platz finden, die ich ja immer noch analog bekomme und mir nicht per Datenfernübertragung selbst aus dem 3-D-Drucker presse.
Um die Datenspuren noch breiter zu machen, werden ja längst schon auch die Paketdienste mit einbezogen. Warum sollen die nicht auch wissen, was man wann wo bestellt hat? Selbst mit der Tracking-Nr. nach dem Zustellstatus schauen, das ist ja Steinzeit. Nein, es ist wichtig, im Stundentakt zu erfahren, dass die bestellten Socken noch nicht bei mir eingetroffen sind, es sich aber lohnt, die Vorfreude kontinuierlich zu steigern, denn schon bald…. – haben wir Sie leider nicht angetroffen.
Zweitens, um zur Aufzählung zurückzukehren, nerven diese Schrott-Mails, weil bei den nötigen Lösch- oder Filterorgien zwangsläufig auch mal Wichtiges flöten geht. Für besondere Kommunikationsverpester wie Ebay haben wohl die meisten Menschen ein eigenes Müll-Postfach, das ist noch einfach zu handeln. Aber ein an sich löbliches Unternehmen wie booklooker raubt mir mit seinem Mail-Chaos ein ums andere Mal die Nerven. Ich will ihnen nicht erklären, wie ihr Geschäft zu funktionieren hat, und dass es weit bessere und einfachere Bezahlabwicklungen gibt dürften die Betreiber selbst schon festgestellt haben. Dennoch: die praktizierte Form ist preisverdächtig dumm:
– Zunächst wie für die heutige Alzheimer-Gesellschaft üblich: die vollständige Wiederholung dessen, was man vor drei Sekunden getan hat (nur die Angabe, warum man etwas gekauft hat, fehlt noch, – dabei wäre gerade die manchmal sehr hilfreich).
– Dann die Ankündigung, der Verkäufer werde sich bald wegen der Zahlungsmodalitäten mit einem in Verbindung setzen.
– In dieser avisierten Meldung findet sich nicht selten schlicht ein Link zurück zum Portal, unter dem man nach Login dann die Bankverbindung finden kann.
– Zur besseren Verwirrung lassen manche Anbieter aber auch gleich ihre Kontonummer rausschicken. Dieser fehlt dann arbeitsbeschaffenderweise eine Rechnungs- oder Bestellnummer (weil: Standardtext), die man aber unter einem Link zurück zum Portal finden kann…
– Garniert wird das Ganze mit diversen pdf-Anhängen: AGB, Widerrufsbelehrungen, Weltformel zum Selberbasteln und natürlich Rechnungen, auf denen nicht steht, dass sie bereits beglichen sind.
Viele Aufwand für 2,38 EUR – vor allem, wenn man nicht nur EIN Buch bestellt hat, sondern gleich eine ganze Reihe, am besten thematisch gleicher und damit evtl. auch namensähnlicher. Bis man sich dann durch mehrere Dutzend Mails gearbeitet hat, um sich die Informationen für die Überweisungen zusammenzupuzzeln, steht in jedem Fall eine Rasur an.
(Fred Steinhauer)
Zum HIntergrund: „Rund 350 Milliarden E-Mails wurden laut Statista im Jahr 2023 täglich weltweit empfangen und versendet – auf die Bevölkerung heruntergerechnet sind das fast 45 E-Mails pro Person pro Tag. Am 3. August 1984 begann in Deutschland das Zeitalter der digitalen Kommunikation: […]“ (SWR)