Im Mai hat die “Verpiss dich”-Pflanze Hochkonjunktur. Dann wollen tausende Eigenheimbesitzer von Wikipedia wissen, was es mit diesem gut vermarkteten Kraut auf sich hat, welches Säugetiere aller Art vertreiben soll. Dieser Stinker ist Patron einer ganzen Verpiss-dich-Bewegung, die darum wetteifert, wer den lebensfreisten Raum zwischen Hauswand und Bürgersteig oder Nachbarzaun schafft, wer die Natur am besten bezwingt.
Am einfachsten ginge das natürlich mit Material, das per se allenfalls mit längst vergangenem, fossilisiertem Leben zu tun hat: mit Steinen. Erstaunlich, was Baumärkte dazu alles anbieten, und zwar nicht in der Beton-Abteilung, sondern im Gartencenter. Felsen aller Größen, Formen und Farben kann man da erwerben. Oder Metallgitterboxen, die mit Steingeröll gefüllt werden, was als übermannshoher Lärmschutz beworben wird, aber den optischen Effekt einer Trutzburg erzeugt. Da kommen Fuchs und Hase natürlich kaum zum Gute-Nacht-Sagen drüber.
Aber eine Steinwüste ohne jeden Grüntupfer gilt im Wettstreit um das lebensfreiste Terrain nicht. Das Hobby bestehen darin, der Natur jeden Tag aufs Neue Paroli zu bieten. Grunddisziplin ist daher, na klar: der Zierrasen. Weltweit leben Mensch und Tier von Gras, selbst die Aufbackbrötchen aus dem Discounter werden bisher noch aus Grassamen hergestellt, – aber an seine Verwandtschaft mit Weizen und Hirse darf das Grün ums Häuschen eben nicht im Entferntesten erinnern, man betreibt ja schließlich keinen Bauernhof, sondern ein Eigenheim.
Perfekt für den lebensfreien Rasen ist der Mähroboter. Zum einen kann man ihn mit Imperator-Haltung bei seinem Vernichtungsfeldzug beobachten, per Handy sogar im Italienurlaub. Zum anderen muss man ihn praktisch täglich über die Fläche schicken, denn der Mähroboter fährt am geschmeidigsten auf 3mm Kurzhaarschnitt. Da hat kein Gänseblümchen eine Chance.
Weil der Mähroboter wie alle Elektromotoren sehr leise ist, eignet er sich allerdings nicht zur akustischen Revierverteidigung. Dafür hält der Baumarkt aber erfreulicherweise ein breites Sortiment hinreichend lärmender Werkzeuge bereit, angefangen beim unentbehrlichen Ganzjahres-Laubbläser – weil ja doch immer mal ein abgeschnittenes Grashälmchen auf der Terrasse zu liegen kommt -, über Freischneider und Motorsensen für solche Ecken und Schmalstellen, denen der Roboter nicht gewachsen ist, über allerhand Hecken- und Astscheren, bis hin zum Häcksler und Dachrinnenreiniger mit Industriemotor. Viel Lärm für möglichst wenig Natur.
Die zweite Disziplin des Wettbewerbs sucht nach der ökologisch nutzlosesten Rabattenbepflanzung. Der Klassiker strahlt gerade wieder überall grell-gelb durch die Neubaugebiete: die Forsythie, die wie alle Hybride nichts für die eigene Fortpflanzung tut und daher reine Zierblüten trägt, ohne Nektar und Pollen. Solche Hybrid-Blumen stehen im Baumarkt-Gartencenter in langen Reihen etagenweise übereinander, aber keine Biene, keine Fliege, kein Schmetterling lässt sich blicken – ein gutes Zeichen.
Der moderne Naturbezwinger geht jedoch auf Nummer sicher: den Boden legt man mit einem Vlies aus, damit von oben weder Hummel noch Löwenzahn in die Erde kommen, während umgekehrt der Regenwurm am nächtlichen Oberflächenspaziergang gehindert wird.
Kein gefallenes Blatt, kein gebrochener Ast darf liegenbleiben, denn das könnte eine Brutstätte neuen Lebens werden. Gottlob gibt es die Biotonne, die den Kreislauf von Werden und Vergehen zumindest rund um die eigenen vier Wände sicher unterbricht.
Wo keine Unkräuter blühen gibt es keine Insekten, wo es keine Insekten gibt bleiben die Vögel aus, und wo es nicht mal mehr einen Vogel zu jagen gibt, da hat sich auch die letzte Katze verkrümelt.
Und der Eigenheim-Hausmeister blickt über sein kleines Wüstenreich wie einst Könige auf ihre durchgekärcherten Parks blickten. Und siehe, es war sehr gut.